Schausteller in vergangenen Zeiten

Von Arthur Berkun

(Zum Teil nach Akten des ehemaligen Geheimen Preuß. Staatsarchivs zu Berlin-Dahlem bearbeitet.)

Jahrtausende alt ist der Schaustellerberuf, und zu allen Zeiten fanden sich bei großen religiösen oder vaterländischen Festlichkeiten der Kulturvölker auch Schausteller und ambulante Händler ein. Sie boten schon bei den olympischen Spielen im alten Hellas Erfrischungen und Naschwerk teil, sie umsäumten die Zugangsstraßen zum Colosseum und zum Circus Maximus im alten römischen Reich, zeigten seltene Tiere oder warteten den Festteilnehmern mit allerlei Gaukel- und Zauberkünsten oder mit ihrer allzeit höchst fragwürdigen Wahrsagerei und Sterndeuterei auf. – Im Neuen Testament der Heiligen Schrift finden wir die Wechsler und Taubenhändler erwähnt, die ihre Stände sogar im Vorhof des Tempels zu Jerusalem aufschlugen und von Jesus und seinen Anhängern ob dieser Schändung des Heiligtums tätlich angegriffen wurden. Dirnen und zweifelhafte Elemente aus allen Gegenden Kleinasiens pflegten sich zum Passahfest in Jerusalem einzufinden, dessen Bewohnerzahl nach den Angaben einiger antiker Historiker während dieser Festwoche bis zu einer Million geschätzt wurde. Die Tauben galten als ein Symbol der freien Liebe und wurden von den Galanen damaliger Zeit den feilen Mädchen als Zeichen erwünschter Annäherung geschenkt.

Über die Schaustellung seltener exotischer Tiere erfahren wir, daß der sagenumwobene Kalif, Harun al Raschid, dem Frankenkaiser, Karl dem Großen, einen sehr schönen Elefanten zum Geschenk machte, der den Namen "Abulabus" trug und um 810 starb. Der französische Bibliothekar Deslile berichtet von zwei Erlassen Heinrichs IV. von Frankreich, die sich auf einen Elefanten bezogen, der mit fahrenden Leuten aus Indien herübergekommen war und später der Königin Elisabeth von England (der Gegnerin Maria Stuarts) zum Geschenk gemacht wurde.

Die ersten dressierten Elefanten wurden in England und Frankreich um 1771 und 1772 gelegentlich von Messen durch Fahrende vorgeführt.

Interessant ist auch die Herkunft des Wortes Messe als Bezeichnung für Märkte: ,Ite, missa est!' ("Geht, es ist beendet!") sagten die Priester der frühesten christlichen Gemeinden zu den anwesenden noch nicht getauften Anhängern der christlichen Lehre, wenn der allgemeine Teil des Gottesdienstes beendet war und nun das Sakrament gespendet wurde, das den Nichtgetauften noch nicht zugänglich war. Aus dem lateinischen Wort "missa" bildete sich dann die Bezeichnung Messe für einen Teil des Gottesdienstes. – Nun fanden sich auch zu den großen christlichen Festen, die mit der Abhaltung besonders feierlicher Messen und Zeremonien verbunden waren, zahlreiche Schausteller und ambulante Händler ein, von denen ein Teil ihre Buden zwischen den großen Stützpfeilern am äußeren Mauerwerk der Gotteshäuser aufschlugen, und schließlich wurde die Bezeichnung Messe auch auf diese profanen Veranstaltungen übertragen und ging in den Sprachgebrauch über.

Den Herren des Mittelalters pflegten riesige Troßscharen zu folgen, zu denen stets auch allerlei fahrende Gaukler, Händler, Zahnbrecher und Quacksalber (wörtlich: Leute, die mit quecksilberhaltigen Salben handelten) gehörten, die der scharfen Zucht der "Hurenweibel" (der Sittenpolizei der Heere) unterstanden.

Entlassene und entlaufene Spitzbuben und Spießgesellen produzierten sich als Fahrende auf Dörfern und in Städten mit den erlernten militärischen Fertigkeiten – insbesondere als Kunstfechter. So wurde zu dieser Zeit die Bezeichnung "fechten gehen" gleichbedeutend mit betteln. Spitzbube und Spießgeselle waren ehedem die mit dem Spieß oder "Spitz" bewaffneten Landsknecht. Da es aber diese Soldateska bezüglich der Eigentumsbegriffe niemals allzu genau nahm und allerorten mitgehen hieß, was nicht niet- und nagelfest war, bekam das Wort Spitzbube die Bedeutung von Dieb, Spießgeselle aber die Bedeutung des Helfershelfers solch eines unehrlichen Gesellen.

Eng verknüpft mit den Salbenverkäufern, Zahnbrechern, Bruchschneidern (also Bruch-Operateuren) und anderen Wunderärzten waren in früheren Jahrhunderten die fahrenden Gaukler und Schausteller. Vielfach unterstanden sie diesen als Arbeitnehmer und dienten dazu, durch ihre Künste zunächst einmal eine genügende Menge Volk anzulocken, denen dann die fragwürdigen Heilmittel usw. offeriert wurden. So gerieten ob all des vielen Schwindels, der mit der leichtgläubigen Menge getrieben wurde, auch die mit Fleiß und Geschick arbeitenden Artisten und die ehrsamen Händler, die wirklich gute Ware anboten, in Verruf und wurden allesamt zum "unehrlichen Volk" gerechnet, zu dem man u. a. auch Henker, Dirnen und abgestrafte Verbrecher zählte.

Einige seltene Ausnahmen machten nur diejenigen Schausteller und Künstler, die sich besonderer Gunst der Obrigkeit oder der Landesfürsten erfreuen durften und mit Sonderprivilegien ausgestattet waren. Unter ihnen gab es schon im fünfzehnten Jahrhundert einige hochangesehene und schwer reiche Schausteller, die schon als kleine "Veranstalter von Volksfesten" im heutigen Sinne anzusehen waren und bei großen Festlichkeiten im Auftrage der Stadt- oder Landesverwaltungen Volksfeste, Messen und Märkte arrangierten und leiteten.

Aber diese Ausnahmen waren eben nur selten, um so größer war dafür die Zahl der Erlasse, die den Fahrenden das Leben sauer machten und sie auf dem Niveau der "Unehrlichen" hielten. So verfügte z. B. ein Dekret der Stadt Cölln (des heutigen Berliner Stadtteils Neukölln) vom 5. VIII. 1682, "daß die Operatores, Stein- und Bruchschneyder, Zahnbrecher usw. ohne vorhergegangene Examination des Colleg. Medic. und über vier Tage in den Jahrmärkten feilzuhalten, nicht zu verstatten seind."

Ein Rescript – ebenfalls des Rates zu Cölln – vom 20. X. 1688 (erneuert 10.VI.1695) besagt: "Stöhrer, Betrieger, Quacksalber etc. – Summa alle und jede nicht zum Artzney-Wesen gehörigen, sollen nirgends geduldet, viel weniger allen Weibern, Segensprechern und anderen, so unziemliche abergläubische und unbekannte Mittel gebrauchen, das Curiren und Urin besehen, oder Rath geben zulassen werden, bey unnachlässiger harter Bestrafung."

Unter Datum vom 27.9.1725 wird für die preußischen Provinzen durch königliches Dekret verfügt: "... übrigens soll denen auf den Jahrmärkten herumziehenden Bruchschneydern und Zahn-Aerzten, auch Wurtzel-Krämern garnicht erlaubet seyn, in Unseren Städten öffentlich auszustehen, und feil zu haben, wenn sie nicht von Uns besonders privilegiret sind."

Eine unter Datum vom 12.12.1780 "bey George Jakob Decker, Königl. Hofbuchdrucker zu Berlin" gedruckte Vorschrift besagt: "VII.) Mit den Glückstöpfern und Riemenstechern soll es gleichergestalt wie mit den Vagabonden gehalten, und vorgeschriebener Maßen, wann sie zum erstenmahl betroffen werden, auf 6 Monate, zum zweytenmahl auf drey Jahr, zum drittenmahl aber auf ewig zur Festungdarbeit geliefert werden; Es sey denn, daß sie ein besonders richtiges Privilegium in Händen hätten und produziren könnten, worüber dann schleunigst berichtet werden und deshalb specielle Verordnung ergeben soll ..."

Durch "Königliches Decret vom dato 21.II.1794" wird das von Friedrich II. erlassene "Verbot der Schaustellung wilder Thiere Seiltantzen, Taschenspielen usw." "auch auf wahre oder angeblich mit Täuschungen verbundenen Kunstsachen" erweitert.

Während der Preußenkönig, Friedrich Wilhelm I., in seiner derben Art, die besonders auch an körperlicher Geschicklichkeit und Kraft Gefallen fand, den ehrlich arbeitenden Fahrenden noch einigermaßen wohlwollend gegenüberstand, brachte Friedrich der Große diesen Berufen nur schroffeste Ablehnung entgegen und dekretierte zu Potsdam am 29.IX. 1799 auf ein Gesuch um Zulassung reisender Schausteller und Akrobaten: "Wollen sich dergleichen Leute den Hals brechen, so können Wir solches in frembden Landen zwar nicht verhindern; in Höchstdero eigenen Provintzien hinngegen verstattet dero Menschen Liebe und dero Landesväterliche Fürsorge für das Leben und Wohl der Unterthanen nicht, dazu Gelegenheit zu geben."

Im Jahre 1801 ergeht auf Grund von Beschwerden über zunehmende Belästigung durch Fahrendes Volk eine neue Verordnung: "...nach wellcher die nicht mit gültigen Concessionen versehenen Kunst- und Marionettenspieler und Bärenführer den vagabondierenden Bettlern gleich geachtet und in die Landarmenhäuser (also Arbeitshäuser!) abgeliefert werden sollen."

Schwer haben Schaustellerstand und ambulanter Handel ringen müssen, um sich durch Fleiß und Zuverlässigkeit von dem Verruf zu befreien, der ihm durch Jahrtausende anhaftete – doppelt schwer, da die Fahrenden schwieriger als die meisten anderen Berufsstände zu kämpfen haben und wirtschaftlich von unzähligen Umständen, – man kann schon sagen: Zufällen, – abhängig sind, die häufig genug für Sein oder Nichtsein entscheidende Bedeutung haben.

Trotz all dieser ungeheuren Schwierigkeiten aber ist es den Schaustellern gelungen, ihren Platz im Wirtschaftsleben der Kulturvölker zu behaupten und zu festigen. So sind sie heute zu einem hochgeachteten Stande geworden, der allein in den deutschen Westzonen ca. 70000 Mitglieder umfaßt, die seit der Währungsreform den Ländern über einhundert Millionen DM. allein an Steuern eingebracht haben.

(Aus "Komet" Nr. 3141/20.11.1949)