Freipark-Aus nach fünf Spieltagen
Nach nicht sonderlich erfreulichen Vorgeplänkeln und dem Ausstieg der Stadt Bremen übernahm die Veranstaltungsgesellschaft Bremer Schausteller (VBS) die Planungen für den als Freimarkt-Ersatz gedachten „Freipark“, auf gut bremisch „Freipaak“. Gleichwohl engagierte sich die öffentliche Hand mit einem Zuschuss von 800.000 Euro für das Vergnügen auf der Bürgerweide, der auch die Platzmiete beinhaltete. Des Weiteren übernahm die Stadt den Aufwand für die umfassende Werbekampagne, die in etwa der eines normalen Freimarktes entsprach. Fazit: Da den Beschickern kein Platzgeld und sonstige Nebenkosten in Rechnung gestellt werden mussten, waren die Bedingungen für einen erfolgreichen Verlauf der Veranstaltung Top. Nach langsamem Anlauf und einem zufriedenstellenden ersten Wochenende kam jedoch die Ernüchterung: Nach nur fünf Veranstaltungstagen war Schluss mit lustig. Wegen der in Bremen stark gestiegenen Coronazahlen über den Inzidenzwert von 50 hinaus widerrief die Stadt die Erlaubnis für die Veranstaltung. Daran an schloss sich eine für die Beschicker zutiefst unbefriedigende Hängepartie, die mit dem vorzeitigen Abbau der auf fünf Sonntage ausgerichteten Veranstaltung schloss. Trotz der finanziellen Verluste verhielten sich die Beschicker jedoch gelassen –und auch nach der höchstrichterlichen Entscheidung contra Freipark schickte man sich in das Unvermeidliche.Rückblickend darf man den Veranstaltern des Freiparks das Kompliment machen, innerhalb kurzer Zeit einen Vergnügungspark auf die Beine gestellt zu haben, der sich sehen lassen konnte. Das galt im Übrigen auch für das komplette Konzept, das von Bürgermeister Dr. Bovenschulte asudrücklich gelobt wurde. Mit rund 120 Beschickern entsprach das Aufgebot dem einer leicht abgespeckten Osterwiese.
Die Qualität der verpflichteten Unternehmen konnte sich mit dem normalen Freimarkt durchaus messen. So sahen es wohl auch die Bremer Bürger, die das Angebot nach relativ schwachem Beginn am ersten Wochenende durchaus vielversprechend annahmen. Von da an schien das Projekt auf der Erfolgsschien zu laufen.m Freipark war nahezu alles vertreten was der Bremer auch vom Freimarkt erwartet: Riesenrad, Wilde Maus, Happy Sailor, Wildwasserbahn, Breakdance, Sky Dance, Pool Party, Auto-Scooter, Octopussy, Hurricane, Jekyll und Hide, Wellenflieger, Geisterstadt und mehr. Des Weiteren zahlreiche Reihengeschäfte aller Art, darunter eine Vielzahl exzellenter Kuchenbuden, auf die man in Bremen immer wieder in herausragender Qualität trifft. Obwohl sich die Macher des Freiparks mit ihrem Wunsch auf Alkoholausschank nicht durchsetzen konnten, waren auch einige repräsentable Ausschankbetriebe aufgeboten, die statt Alkoholika sonstige kalte und warme Getränke offerierten, sowie alkoholfreie Biere und Cocktails. Den größten Spaß auf dem eingezäunten 60.000 qm großen Teil der Bürgerweide (Entritt 1 Euro), dürften zweifelsohne die kleinen Besucher gehabt haben. Für sie standen immerhin sieben spezielle Kinderfahrgeschäfte zur freien Wahl.Die Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt eröffnete am Freitagmittag, 2. Oktober 2020, 13 Uhr, mit Durchschneiden des obligatorischen Flatterbandes den ersten Bremer Freipark. Am Tag zuvor hatte der Bremer Senat wegen ansteigender Corona-Infektionen entschieden, statt der ursprünglich vereinbarten 6.000 nur noch 3.000 Besucher gleichzeitig in den Freipark einzulassen.
Hierzu die Wirtschaftsenatorin: „Wir nehmen die steigenden Infektionszahlen ernst, aber unsere Abstands-und Hygienekonzepte für öffentliche Veranstaltungen sind so gut, dass sogar Gesundheitsminister Spahn diese gelobt hat.“Nach und nach kamen am Freitag die ersten Besucher auf das Gelände und folgten dem durch unübersehbar giftgrüne Pfeile angezeigten Rundlauf, der allerdings keine strikte Einbahnstraße darstellen sollte. „Wer zum Beispiel sein Kind ein paar Meter entgegen der Laufrichtung vom Fahrgeschäft abholen möchte, kann das selbst-verständlich gerne tun“, lautete die Empfehlung der veranstaltenden VBS. Das sahen allerdings einige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes nicht so und benahmen sich ziemlich ruppig gegenüber Besuchern, die auch nur kurz entgegengesetzt zur gewünschten Laufrichtung unterwegs waren. Ein Zustand, der gottseidank nach kurzer Zeit (durcheine Ad-hoc-Nachschulung) abgestellt war. Ansonsten gab es keinerlei erwähnenswerte Zwischenfälle auf dem Platz, die Besucher hielten sich an die deutlich plakatierten Auflagen. Dass die Veranstaltung von der Bevölkerung insgesamt positiv gesehen wurde, ermittelte per Umfrage eine Bremer Zeitung. Die folgende typische Beurteilung des Freiparks durch einen einheimischen Bürger zeigt, dass man in der Freimarkt-Stadt immer auch an die Beschicker denkt: Der Befragte sagte –ähnlich wie viele weitere: „Ich finde den Freipark super, man fühlt sich ein bisschen wie auf der Osterwiese. Die Atmosphäre ist gut, und wer Spaß an Kirmes hat, für den lohnt sich der Besuch. Ob sich das allerdings für die Schausteller rentiert, muss man schauen.“Insgesamt seien am Freipark-Samstag mehr als 10. 000 Besucher gekommen, sagte Bettina Robrahn-Böker, die Geschäftsführerin der Veranstaltungsgesellschaft Bremer Schausteller (VBS). Am Sonntag seien zeitgleich nie mehr als 2 .500 Personen auf der Fläche gewesen. Man habe niemanden nach Hause schicken müssen, alles habe gut geklappt.
Doch nach den positiven Erfahrungen der ersten Spieltage kam prompt die Ernüchterung: Knapp eineinhalb Stunden nach Eröffnung des Freiparks am Mittwoch, 7. Oktober, nahm die Stadt Bremen ihre Genehmigung zurück und schloss die Veranstaltung bis auf Weiteres.Hierzu wiederum Bettina Robrahn-Böker zur Presse: Mittags habe das Gesund-heitsamt sie bereits gewarnt. Kurz vor 15 Uhr sei dann das aus Sicht der Stadt unvermeidliche eingetreten. Das Ordnungsamt habedie sofortige Schließung des Freiparks angeordnet, weil die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Bremen in die Höhe geschnellt sei und laut Gesundheitsressort die Obergrenze gerissen habe. Frau Robrahn-Böker war zu diesem Zeitpunkt noch der Überzeugung, dass die Schließung lediglich ein Intermezzo sei und unterstrich: „Wir bauen nicht ab –das ist nur vorübergehend.” Susanne Keunecke appellierte in diesem Zusammen-hang an alle Bremerinnen und Bremer, die Schließung des Freiparks als Warnschuss zubegreifen und sich überall an die Hygieneregeln zu halten. Wenn die Zahl der Neuinfektionen wieder sinke, könne der Freipark auch wieder öffnen. In den folgenden Tagen war Bangen und Hoffen der Beschicker auf das Sinken der Coronazahlen und die damit in Aussicht gestellte weitere Öffnung des Freiparks angesagt. Als dies immer aussichtsloser wurde bemühten die VBS und die beiden durch Susanne Keunecke und Rudi Robrahn vertretenen Schaustellerverbände in Absprache mit den Beschickern die Gerichtsbarkeit.Der eingeschaltete Anwalt Kyrulf Petersen zeigte sich sichtlich beeindruckt vom „enormen Umfang“ des Hygienekonzepts der VBS und der Beschicker und betonte vor Gericht, es sei unverständlich, dass der „Freipaak“ schließen müsse, während Gastronomien oder auch der Einzelhandel mit weit weniger ausgereiften Hygienekonzepten öffnen dürften. Immerhin habe das Einlasspersonal oft die Frage von Besuchern gehört: „Warum dieser Aufwand? Geht doch mal in die Stadt!“
Somit läge eine Ungleichbehandlung der Schausteller vor. Schließlich sei nicht einmal geprüft worden, ob auf dem Veranstaltungsgelände Infektionsgefahren vorlägen. „Man hätte des Hygienekonzept überarbeiten können, etwa so, dass Gruppen mit mehr als fünf Personen zurückgewiesen werden. Den Park zu schließen, das ist unverhältnismäßig“, betonte Petersen. Doch es half alles nichts. Am Ende wurde die Klage gegen Schließung des temporären Freizeitparks vom Oberverwaltungsgericht Bremenabgewiesen. Damit bestätigten die Richter den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober, der laut Pressemitteilung nicht anfechtbar ist.Das war das traurige Ende für den vielversprechenden Freimarktersatz auf der Bürgerweide. Aller Einsatz des VBS und der beiden Bremer Schaustellerverbände war somit für die Katz. Das Nachsehen hatten letztlich alle Beschicker, von denen wohl keiner mit Gewinn sich aus Bremen verabschieden durfte, nachdem mit dem vorzeitigen Abbau der Geschäfte das Kapitel Bremer Freipark 2020 endgültig geschlossen worden war. Eine weitere Pille mussten dieBremer Schausteller schlucken, als auch der sogenannte Kleine Freimarkt in der Stadtmitte den Coronabedenken zum Opfer fiel. Wann endlich wird die gegenwärtige Situation mit permanenten Niederschlägen für das Schaustellergewerbe enden?
Text: Rainer Schulz
Fotos: Sim-Jü-Archiv
KOMMENTAR:
Vorauseilender Gehorsam?Um es gleich vorweg zu sagen: Corona ist eine z. Z. für alle ständige Gefahr und daher muss insbesondere bei allen Menschenansammlungen ein extrem hohes Maßan Hygiene und Abstand angelegt werden. Gerade das haben die Bremer Schaustellervertreter mit ihrem ausgeklügelten Corona-Konzept getan. War es also wieder einmal vorauseilender Gehorsam, als die Verantwortlichen bei der Stadt in Sachen Freipark die Notbremse zogen. Ich meine ja, denn die Schließung des Freiparks am 6. Spieltag wäre zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nötig gewesen. Um dies zu begründen musste man sich nur den gleichzeitig in der Bremer City abgewickelten normalen Geschäftsgang, mit im Verhältnis zu den Schaustellern nahezu null Beschränkungen und vorbeugenden Maßnahmen, anschauen. Allein die weit über 100 Desinfektionsstellen im Freipark sprechen da Bände, von den deutlich markierten Laufwegen und der vorgeschriebenen Nutzung von Mund/Nasen-Bedeckung an vielen Stellen des Freiparks, sowie letztlich der Erfassung jedes einzelnen Besuchers, gar nicht zu reden. Übrigens wäre in diesem Zusammenhang ein Blick nach Münster sicher hilfreich gewesen. Stattdessen hat Bremen bewiesen, dass es heutzutage mit dem Mut einen Sonderweg zu beschreiten oder auch einmal gegen den Strom zu schwimmen, nicht mehr weit her ist. Ob die Besucherströme aus Angst vor einer –allerdings fast unmöglichen –Infizierung im Freipark nicht deutlich nachgelassen hätten, ist fraglich. Für den ebenfalls abgesagten kleinen Freimarkt, für den sogar Alkoholausschank zugesagt war, gilt ähnliches. Jetzt kann man nur hoffen, dass der Corona-Spuk bald ein Ende nimmt!
Argus