13. Dezember 2024

Freimaak in Bremen

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Der Bremer Freimarkt ist eröffnet

„Ischa Freimaak“

 

Dreimal riefen alle „Ischa Freimaak“, dann war es ganz offiziell: In der Freien und Hansestadt Bremen ist die fünfte Jahreszeit eröffnet. Wie immer im Oktober und für 17 tolle Tage ist alles anders als sonst.

Bunter. Lustiger. Noch lässiger.

 

Susanne Keuneke (links), Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bremer Märkte, Rudolf Robrahn, Vorsitzender des Schaustellverbandes Bremen, und Wirtschafts- und Freimarkts-Senatorin Kristina Vogt (Linke) schneiden das Band zur Bürgerweide durch: Jetzt ist die Kirmes eröffnet. Im Hintergrund schaut der Zeremonienmeister Dirk Bühling zu, rechts der große und der kleine Roland, das sind Marc Gelhart und Carl von Reißwitz.

Kirmeslust und Bayernfrust
Wird es auch bayerischer in der Heimat von Labskaus, Pannfisch und Knipp? „Hau mir bloß ab mit Dirndl und Lederhosen“, so schreiben sich derzeit eine ganze Reihe von Nutzern auf einschlägigen Foren im Internet ihren Frust von der hanseatischen Seele. Die „Kreiszeitung“ hat sich ganz aktuell der Sache angenommen und recherchiert, ob wie im Netz gefragt die Bremer denn „gar keine Ehre mehr im Leib“ haben. Warum nur die ganze Aufregung? Gefühlt kommen immer mehr Freimarktgänger krachledern oder mit Dirndl zum Feiern auf die Bürgerweide, huschen ins Bayernzelt und machen sich da ein paar schöne Stunden. Dürfen die das? Bayerntracht im hohen Norden – hat das nun Schick oder kann das weg? Ist das gar kulturelle Aneignung? „Jeder, wie er mag“, auch das haben viele Nutzer im Netz geschrieben: Ischa Freimaak – es ist ja schließlich Freimarkt.

Uraltes Marktrecht
Bremer Freimarkt. Dieses besondere Marktrecht gibt es schon seit 1035, so steht es auf der großen Urkunde, die am Freitagmittag, 18. Oktober, auf der kleinen Bühne neben dem Roland verlesen wurde. Der Roland ist Stein gewordenes Bremer Wahrzeichen. Gut, es gibt auch noch die Bremer Stadtmusikanten aber die sind von den Brüdern Grimm und die haben sich bekanntlich viel erzählen lassen. So ein Roland, das ist was Echtes. Also zurück an den Roland. Dort steht der Zeremonienmeister mit Perücke, Dreispitz, Wams, Kniebundhose, Spitzenjabot, weißen Kniestrümpfen und beschnallten Schuhen: Dirk Bühling steckt in der Kluft. Er ist bekannter Schauspieler, Regisseur, Moderator, Autor. Er hatte die Idee zu dem besonderen Spektakel für die Freimarkt-Eröffnung und auch alles penibel geplant, wie er erzählt. Hoch zu Ross bahnt sich in diesem Moment der „große“ Roland am Rathaus vorbei seinen Weg zum Steindenkmal. Es gibt ein großes Hallo und aus den Fenstern der Bürgerschaft klingen zig Fanfaren. Man hört es, sieht aber nicht viel. Üblicherweise stehen die Musikanten auf dem Balkon des historischen Rathauses gleich neben dem Roland aber dieses Jahr nicht. „Schade, aber nicht zu ändern“, sagt Rudolf Robrahn, Vorsitzender des Bremer Schaustellerbunds.

Der Freimarkt hat jetzt sein Freimarktbier
Der große Roland trabt übers Kopfsteinpflaster und die Straßenbahnschienen. Einfach ist das nicht, denn unzählige Zuschauer drängen sich längst um die Stände und ein historisches Karussell, Kameraleute stehen dicht an dicht, ihre Tonassistenten mit im Schlepptau. Alles, was Handys hat, knipst und filmt um die Wette – ach, es ist eine Seuche, die Jung und Alt verpestet hat. Niemand hat mehr die Muße, einfach zuzuschauen und zu genießen. Statt Handys könnte man doch besser zum Zuprosten ein neues Glas Freimarktbier in die Höhe halten. Das Freimarktbier gab es übrigens erstmals. Komponiert hat es wie berichtet Braumeister Dr. Carsten Eger von der Freien Brau Union aus Bremen-Walle und sein Trunk ist an diesem Freitag in aller Munde und schmeckt bestens, wie man immer wieder hört.
Der „große“ Roland, das ist Marc Gelhart vom Weyher Theater und jede Sekunde besteht die Gefahr, dass sein Zosse durchgeht bei dem Gedränge. Aber es geht gut, auch beim „kleinen“ Roland. Diese Symbolfigur hat der „Weserkurier“ in diesem Jahr wiederbelebt und um Bewerbungen gebeten. Am besten gefiel dann der zehnjährige Carl Tiberius Thor Freiherr von Reißwitz – jawohl, der junge Mann mit seinem wallend langen blonden Haar heißt wirklich so und Carl von Reißwitz lächelt zunächst etwas verlegen, dann ziemlich entspannt in die Menge und strahlt mit der Sonne um die Wette: Was für ein Wetter an diesem Tag!
Auftritt der Bürgerschaftspräsidentin: Antje Grotheer (SPD) ist einfach entzückt bei so viel Publikum und so viel ansteckend guter Laune. Aber Achtung: Platz da für die Straßenbahn! Die Linien müssen ihren Fahrplan einhalten, also Vorsicht mit den Füßen.

Schornsteinfeger haben ein Herz für Roland
Nun sind die Schornsteinfeger an der Reihe. Sie haben schon immer ein Herz für Roland und da stehen auch die Leute von der Feuerwehr. Sie haben die Leiter, damit die Schornsteinfeger als anerkannte Glücksbringer dem steinernen Roland das große „Ischa-Freimarkt“-Herz umhängen können. Schornsteinfeger und Feuerwehr, das hat in Bremen eine besondere Geschichte, erzählt Innungsmeister Marco Gabrielli mir im Getümmel: Die Freiwillige Feuerwehr Bremen-Neustadt ist bekannt als „Schwarzer Zug“. Schwarz wegen der Schornsteinfeger, die ihn gegründet haben vor mehr als 60 Jahren. Weil Schornsteinfeger Glück bringen und weil die Feuerwehr eine Leiter hat, die es braucht, um dem Roland sein Herz umzuhängen. Deshalb ist der Schwarze Zug auch seit mehr als 60 Jahren dabei, wenn es wieder heißt „Ischa Freimaak!“
Was kommt dann? Klein Roland steigt auch auf eine Leiter, schmückt den Triebwagen einer historischen Straßenbahn, die inzwischen bereitsteht, um geladene Gäste zur Bürgerweide zu fahren. Ein Bremer und ein deutsches Fähnchen tragen vorne alle Wagen und Busse der Verkehrsbetriebe zur Freimarktzeit, auch das ist gern gesehene Tradition. Die Fahrt macht Freude und sie ist nur möglich, weil es den Verein der Freunde der Bremer Straßenbahn gibt, der die rollenden Schätzchen hegt und pflegt und sie immer wieder auf die Gleise bringt.

Ausgiebige Tour mit historischer Tram
Die Tram hält nach einer ausgiebigen Tour an der Bürgerweide. Die Millrose Jazz Band sorgt sofort für beste Stimmung. Die Musiker tanzen dem Tross voraus, und an der Bürgerweide, da stehen sich auch schon unzählige Fans die Beine in den Bauch, die Handys im Anschlag und ohne ein wirkliches Gefühl dafür, wie viel Abstand man vom Geschehen halten sollten, damit möglichst viele etwas von einer Zeremonie mitbekommen. Wie gesagt: Es ist eine Seuche. Alle schauen aufs Handy statt auf die Menschen.
Wirtschafts- und Freimarkt-Senatorin Kristina Vogt (Linke), und Rudi Robrahn machen kurzen Prozess mit dem Band zwischen Rossbratwurststand und Franz-Thomas Schneiders nigelnagelneuen Kabinen-Fahrstuhl „Look 360°“. So hat man die Welt noch nie gesehen.
Schnippschnapp! Das Band ist durch und die Eröffnung ist perfekt. Die Kirmesfans stürmen die Fahrgeschäfte, Schausteller und geladene Gäste feiern erst einmal im Zelt. Rudolf Robrahn geht ans Mikro und unterstreicht: „Der Freimarkt ist das Volksfest schlechthin im Norden.“ Ein Publikumsmagnet weit über die Grenzen von Bremen, Deutschland und Europa hinaus, ein Fest für die ganze Familie, so lobt es Senatorin Kristina Vogt wenig später. Dann muss sie ran: Fassanstich. Eins. Zwei. Drei. Vier. Dann fließt das leckere Freimarktbier. Dieses Bier gibt es nur während der fünften Jahreszeit. Fast überall auf dem Festplatz und auch im Handel.

Trecker-Günther sorgt für Stimmung
Trecker-Günther ist bekannt aus Funk und Fernsehen. Er steigt jetzt in die Bütt und erklärt die Welt. Es gibt ordentlich was zu lachen im Zelt mit Brot dazu sowie Wurst und Käse und anschließend einen Bummel über die Bürgerweide. (Fast) überall gibts das neue Freimarktbier. Susanne Keuneke, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bremer Märkte, sie freut sich, dass ihre Initiative mit dem Bier gut ankommt.

Wenn diese Ausgabe auf dem Tisch liegt, dann ist immer noch ordentlich was los in Bremen: Noch bis zum 3. November drehen sich die Karussells auf der Bürgerweide. Wir berichten weiter – Ischa Freimaak. In elf Jahren zum 1.000. Mal.

Text und Fotos: Thomas Brüggestraße

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