Interview mit Sven Kaestner
Wenn man die Landeshauptstadt Erfurt besucht, verspürt man einen regelrechten Aufschwung. Auch für die Volksfeste und den Weihnachtsmarkt auf dem wunderschönen Domplatz gilt dies. Maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg hat Sven Kaestner von der Kulturdirektion, Abteilung Märkte und Stadtfeste, der Stadt Erfurt.
Wie bist du durch die Covid-19-Pandemie gekommen?
“Meine Familie hält sich konsequent an die bekannten Corona-Regeln und ist bislang vom Virus verschont geblieben. Gleiches gilt für mein Team. Obwohl unsere Büros immer besetzt sind und das Homeoffice keine große Rolle spielt, sind wir gut durch die Pandemie gekommen. Auch der Wochenmarkt auf dem Domplatz sowie unsere weiteren sechs Wochenmärkte fanden immer statt. Das Infektionsschutzkonzept passen wir stets der aktuellen Lage an.“
Die imposante Kulisse des Dom-Ensembles (siehe im KOMET-Riesenradkalender Blatt Dezember) prägt das Erscheinungsbild des Erfurter Weihnachtsmarktes, des Altstadtfrühlings und des Oktoberfestes. Ist es eine große Herausforderung, vor dieser grandiosen Silhouette eine passende Festplatz-Architektur zu schaffen?
„Natürlich versuchen wir beim Stellkonzept diese traumhafte Skyline einzubeziehen. So legen wir Wert auf eine geöffnete Bauweise bei der Gestaltung des ca. 12 – 14.000m² großen Domplatzes. Einerseits prägen solitäre Hochgeschäfte die Sichtachsen zum Dom und zur Severi-Kirche, andererseits wird an verschiedenen Stellen auf Rückfronten verzichtet, um den offenen Charakter des Festplatzes zu betonen. Beim Altstadtherbst 2020 haben wir zusätzlich das Riesenrad in Richtung Petersberg versetzt, um von dort einen Blick auf die Gestaltung des BUGA-Geländes in diesem Bereich zu ermöglichen.“
Der Weihnachtsmarkt mit seinem einzigartigen Flair zieht bis zu zwei Millionen Weihnachtsmarkt-Touristen von überall her an. Der Altstadtfrühling und das Oktoberfest mit imposanten Achterbahnen und Riesenrädern verfolgen ein völlig anderes Konzept, sind aber nicht weniger erfolgreich. Ebenso das beliebte „Krämerbrückenfest“. Nun hat die Corona-Pandemie die Erfolgskurve jäh unterbrochen. Die Feste fielen dem Lockdown zum Opfer. Nur das Erfurter Oktoberfest fand unter der Bezeichnung „Erfurter Altstadtherbst“ unter strengen Hygieneauflagen statt. Wie es weitergeht, ist ungewiss. Wagst du eine Prognose?
„Unser Oberbürgermeister Andreas Bausewein hat im MDR erklärt, dass Erfurt an seinem Oktoberfest festhält. Es sei ein verheerendes Signal, alle größeren Volksfeste schon ein halbes Jahr im Voraus zu beerdigen. Niemand kenne zwar die Lage im Herbst, aber die Menschen bräuchten Signale der Hoffnung. Er hofft darauf, dass mit höherem Impftempo Volksfeste in Erfurt in der zweiten Jahreshälfte möglich sind. Dementsprechend planen wir mit voller Kraft unser Oktoberfest, was dann eventuell wieder als „Erfurter Altstadtherbst“ stattfindet, und den Weihnachtsmarkt.“
Für den „Altstadtherbst 2020“ hast du ein beispielhaftes Infektionsschutzkonzept erstellt, das skeptische Gesundheitsamt überzeugt und akkurat umgesetzt. Dafür großen Dank, Anerkennung und Respekt! Andere öffentliche Veranstalter scheuten teils die enorme Arbeit, die riesige Verantwortung und das Risiko eines solchen Projekts. Leider war nur ein Teil der Beschicker die Fahrgeschäftbetreiber erfolgreich. Andere, die Reihengeschäfte betrieben,klagten häufig über Rückgänge. Woran lag es nach deiner Meinung?
„Gegenüber ‚normalen‘ Erfurter Oktoberfesten haben wir coronabedingt nur einen Bruchteil der Besucher gehabt. Wir haben uns bewusst auf die ‚Familie‘ als Zielgruppe fokussiert, haben kaum Werbung geschaltet und keine Touristen gehabt. Wenn trotzdem noch 50 % Umsatz im Mittel erzielt wurden, ist dies doch was!“
Beim Altstadtherbst wurden die Besucher in Echtzeit erfasst und der Einlass mit einem Ampelsystem gesteuert. Was hat die spätere Auswertung erbracht?
„Wir hatten 74.098 gezählte Besucher. Davon waren 10 % Kinder unter 6 Jahren. Es gab die Online-Registrierung, die 48 % nutzten, und die „Einmaltickets“ für spontane Gäste, die mit 52 % in der Überzahl waren. Die durchschnittliche Verweildauer betrug wetterabhängig zwischen 45 und 90 Minuten. Stärkster Tag war, wie erwartet, der 3. Oktober, der auf einen Samstag fiel. An diesem Tag kamen 12.000 Gäste. Weil die maximale Besucherzahl von 2.000 Festgästen erreicht war, gingen an diesem Tag die Ampeln dreimal auf Rot. Aber nach einer Viertelstunde durften immer wieder Besucher eingelassen werden.“
Der Corona-Lockdown hat die Schausteller extrem hart getroffen. Seit 1991 hast du zunächst unter der Leitung von Edith Kriesche und ab 2012 als hauptverantwortlicher Veranstaltungsleiter engen Kontakt zu den Schaustellern. Wie ist die Zusammenarbeit in dieser existenzbedrohenden Krise? Wie fühlt man nach so vielen Jahren der Zusammenarbeit mit den Reisenden?
„Die Schausteller genießen in Erfurt eine hohe Wertschätzung. Wir versuchen unser Ermessen im Sinne der Schausteller anzuwenden. Was irgendwie auf dem Domplatz möglich ist, wurde bisher realisiert und dies werden wir auch weiter tun! So wurden z. B. beim Erfurter Altstadtherbst 2020 die Standmietenim Rahmen des Ermessensspielraums vergleichbar der Wirtschaftsjahre davor angesetzt. Auch wurde auf die Werbeumlage verzichtet. Mit über 100.000 € hat die Landeshauptstadt den „Erfurter Altstadtherbst“ im Rahmen der Wirtschaftsförderung unterstützt. Damitwurde eine vollständige Umlage der erhöhten Aufwendungen zur Veranstaltungsdurchführung an die Schaustellerbetriebe verhindert.“
Wie motivieren sich ein Platzmeister und sein Team, wenn die pandemiebedingten Vorgaben immer wieder vor neue Herausforderungen stellen?
„Alle Mitarbeiter sind hoch motiviert. Wir wollen mit unserem Engagement einen kleinen Beitrag zur Unterstützung der Veranstaltungsbranche leisten. Schließlich brauchen wir auch in der Post-Covid-Zeit wieder leistungsstarke Partner. Dazu gehören nicht nur die Schausteller, sondern auch die ebenfalls betroffenen Firmen aus dem Bereich der privaten Sicherheit, der Veranstaltungstechnik, der Plakatwerbung usw.“
Mal angenommen, wir sind alle geimpft und die Pandemie ist zu Ende. Was machst du als Erstes?
„Ich werde mich ganz demütig auf die ‚Normalität‘ freuen. Ebenso freue ich mich für die Freunde und Partner, die die Covid-Zeit dann hoffentlich gut überstanden haben und nun in ein ‚ruhiges Fahrwasser‘ zurückkommen und auch wieder auf ein Treffen mit allen Kolleginnen/Kollegen, die regelmäßig an der Tagung der Markt-und Volksfestreferenten teilnehmen, die in dieser Form recht herzlich gegrüßt werden.“
Text: Wilfried Roßbach