… aber wissen sich auch regional anzupassen.
„Jede Stadt hat ihre eigene Musik“, weiß Rudolf „Rudi“ Isken jun. auf interessante Art und Weise auszuführen. „Manchmal liegen nur zehn Kilometer zwischen den einzelnen Orten und dennoch unterscheidet sich der gemeine Musikgeschmack völlig. Hier hören sie Rockmusik, dort Hip-Hop und in der nächsten Gemeinde House. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben“, ist sich der erfahrene Autoskooter-Betreiber sicher.An einen prägnanten Song erinnert er sich ganz genau. In seiner Jugend erschien der Titel „Geil“ von Bruce und Bongo. Zu dieser Zeit, wir schreiben das Jahr 1986, war der Begriff „Geil“ noch sehr verpönt. So untersagte ihm seine Mutter, diesen Titel über das Mikrofon anzukündigen. Doch binnen kürzester Zeit stieg die Platte auf Platz eins der deutschen Single Charts und plötzlich nahm das Wort jeder in den Mund. Inzwischen ist der Terminus allgegenwärtig und inflationär gebraucht – so ändern sich die Zeiten. Extrem in Sachen Musik ist aus Iskens Sicht die Stadt Soest. Wie kaum ein anderer Ort sei die Bördestadt in den 90ern zu deutscher Hip-Hop-Musik abgegangen. „Rock on“ von der Band „Absolute Beginner“ musste damals rauf und runter gespielt werden und entwickelte sich quasi zur Hymne. Der Titel hatte es bei seiner Erstveröffentlichung nicht einmal unter die „Top 100“ geschafft und dennoch kannte ihn fast jeder. Auch amerikanische Rap Musik hatte sich bei Iskens Skooter „Number 1“ etabliert. Wieder erinnert sich der Dortmunder an Gastspiele in Soest, als dort immer und immer wieder „Slam“ von Onyx gewünscht wurde. Gern kleideten sich auch die Hip-Hop-Fans in entsprechenden Textilien. Etwas souliger war die Nummer „Dilemma“ von Kelly Rowland mit Nelly. Zu diesem Stück sangen die den Skooter umlagernden Jugendlichen immer gern und lauthals mit. Party war zur Allerheiligenkirmes beileibe nicht nur in den Kneipen und in den Festzelten angesagt, sondern auch bei Iskens. Ein wenig Bedauern klingt mit, wenn der inzwischen 47-Jährige über einige Songs von heute sinniert. Oftmals fehlen markante Melodien, zu denen man gut mitsingen kann. Mit einem Lächeln erinnert er sich daran, dass er einige Schallplatten (ja Vinyl!) mehrfach kaufen musste, weil sie schlicht durchgespielt waren. Konkret benennt er den Song „Sauerland“ von Zoff aus dem Jahre 1983, den er fünf bis zehn Jahre zumindest gefühlt alle eineinhalb Stunden in der besungenen Region auflegen musste. Bis heute kommt die Nummer gut an. Eine lustige Anekdote kann Isken zum Besten geben: Einmal wurde ein Geburtstag bei ihm am Skooter groß gefeiert und der Jubilar wurde in einer umgebauten Badewanne über die Fahrbahn kutschiert. Dazu lief entsprechend „Die Wanne ist voll“ von Dieter Hallervorden & Helga Feddersen.
Rudolf „Rudi“ Isken hat viel, oftmals zu viel, wie er heute reflektiert, in seine Plattensammlung investiert und nicht selten wurden teure Importschallplatten angeschafft. Durch die teilweise exklusive Musik aus England, Amerika und den Niederlanden, die er spielte, war er weit vorn auf der Kirmes. Erneut erinnert er sich an eine Verbindung einer Platte mit einer Stadt. Mit „Freestyler“ von den Bombfunk MC’s verknüpft er gedanklich die Stadt Anröchte. Da sind die Leute total drauf abgefahren. So wild diese Nummer auch war, so ruhig waren Klänge, die er in Dortmund Hörde auflegte. Dort gab es eine Gruppe, die Fans von Rod Stewart waren. Schon damals, vor etwa 30 Jahren, war der britische Rock-und Pop-Sänger nicht mehr der neueste Schrei, aber seine Fangemeinde schwor auf ihn.In Ahlen wiederum wird traditionell viel R’n’B, Soul und Hip-Hop gehört. Ein Insider-Hit war „I Like it“ von Wayne Marshall. Als Isken diesen Song auf den Plattenteller legte, kam augenblicklich ein Gast, der ihm 100,-DM für die Scheibe bot. Doch ein echter Sammler verkauft nicht! Hin und wieder ging es auch richtig rockig zur Sache. In Warstein war „Entre dos tierras“ von Heroes del Silencio angesagt. Auf Schützenfesten dröhnten dann Schlager aus den Boxen. Familie Isken hat alles gespielt. Dabei hat Rudi beileibe nicht das aufgelegt, was ihm persönlich gefallen hat, sondern die Platten aufgelegt, die die Leute hören wollten. Doch alles hat seine Grenzen und wenn er zu lange, zu viel und womöglich auch zu hart von einer Richtung gespielt hatte, dann wurde auch wieder zurückgedreht. Eine gesunde Mischung ist dabei immer zuträglich. Stets wurde und wird auf die Allgemeinheit geachtet und berücksichtigt was diese hören möchte.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Entwicklung des deutschen Schlagers. Es gab eine Zeit da wollte ihn niemand hören. Inzwischen ist er wieder salonfähig geworden und kann schon des Nachmittags gespielt werden. Mittlerweile sitzt sein Sohn (ebenfalls Rudi) am Mikrofon und bedient Computerprogramme, um die Musik zu mischen. Auch er hat sich zum DJ gemausert und legt ab und zu in Diskotheken und Clubs auf. Papa Rudi musste ihn hin und wieder bremsen, damit er wieder etwas mainstreamiger spielt. So erkennt er vieles in ihm wieder –so wie er damals selbst gehandelt hat.