Enner, zwoon, dräi – Bruder Lolls!
Große Vorfreude auf das Lullusfest in Bad Hersfeld
Am Montag, den 16. Oktober, ist es wieder so weit: Die „Herschfeller“ feiern wieder ihr neuntägiges, klassisches Lullusfest, das älteste Heimatfest Deutschlands. Wobei am ersten Tag, dem Sonntag, neben dem Lollslauf, dem Gottesdienst am Auto-Skooter der Familie Distel, dem Fackelzug durch die Innenstadt und der Feierstunde in der Stiftsruine der Festplatz noch geschlossen hat. Erst am Montag geht es richtig los. Die überregional attraktive Veranstaltung ist für die Stadt ein markantes Aushängeschild und Imageträger.
Und es gibt in diesem Jahre viele Neuheiten. Anke Hofmann heißt die neue Bürgermeisterin der Kreisstadt Bad Hersfeld, die zum Ende letzten Jahres vereidigt wurde. Sie kandidierte als unabhängige, überparteiliche Kandidatin, gewann die Stichwahl und alle sind auf ihre Lollsrede zum Auftakt an der Feuergrube gespannt. Hofmann, 1967 geboren, absolvierte ein duales Studium und arbeitete unter anderem im Rechenzentrum der Bundesfinanzverwaltung, bevor sie 1995 in die Stadtverwaltung nach Bad Hersfeld wechselte. Dort agierte sie vor dem Amtsantritt in verschiedenen Führungspositionen, unter anderem in der Kämmerei, als Standesbeamtin und im Immobilienmanagement. Überregional bekannt wurde sie als Organisatorin des Hessentages in Bad Hersfeld im Jahr 2019. Auch das Werbeplakat, im letzten Jahr dezent modernisiert, hat jetzt eine grundlegende Frischzellenkur erfahren und präsentiert sich in neuen, kastanienbraunen Farben, ohne auf die klassischen Wahrzeichen wie das Lullsfeuer mit dem Feuermeister der Stiftsruine und den Fahrgeschäften zu verzichten. Auch ein großer Freifallturm ist zu erkennen – und damit die unübersehbare Fahrgeschäftsneuheit.
Mit dabei
Traditionell ist 2023 ein Lullusfest ohne Riesenrad. Und trotzdem geht es hoch hinauf – auf imposante 85 Meter. Das schafft kein Riesenrad. Ewald Schneider junior bringt mit „Hangover“ den höchsten transportablen Freifallturm der Welt erstmals nach Bad Hersfeld und will an die großen Erfolge mit „Power Tower 1“ und „Power Tower 2“ in der hessischen Kreisstadt anknüpfen. Ein Wiedersehen gibt es mit dem Musik-Express „Starlight“ von Marco Beinhorn, der mit dem neu gestalteten Tunnel nicht nur eine rasante Fahrt bietet, sondern auch eine spektakuläre Light-Show. Gruselige und trotzdem familienfreundliche Überraschungen garantiert „Die große Geisterbahn“ der Familie Rudolf Schütze. Bei dem Mack-Geschäft erwartet das Publikum eine 30 Meter lange Front mit vielen Animationsfiguren und eine lange Fahrt über zwei Etagen. Bereits seit 100 Jahren ist die Familie erfolgreich in dieser Branche unterwegs. Das Kult-Karussell „Break Dance“ von der Familie Grünberg-Kaiser kommt wie der Distel’sche Auto-Skooter direkt von der Münchner Wiesn und ist der Hit bei der Jugend. Alex und Angelique Zinnecker bauen ihren Propeller „Freak“ auf und bringen pro Fahrt je acht Fahrgäste in zwei Gondeln auf eine Höhe von 42 Metern. Spaß hinter Glas ist im „Glaswerk“ angesagt, das Peggy Ulrich zum Lullusfest bringt. Gar nicht so leicht, den Weg durch das Labyrinth aus Glasscheiben und Spiegeln zu finden. Mit einer kinderfreundlichen Dschungel-Thematisierung lockt die Achterbahn „Crazy Jungle“ von Tanja Luxem. Dazu viele bekannte und bewährte Beschicker – insgesamt 50 Schausteller-Unternehmen. Durch die besondere Konstellation in diesem Jahr ist auch der Anschluss vom Cannstatter Wasen nach Bad Hersfeld möglich. Auch die Großverlosung „Hongkong“ ist wieder mit dabei – schaubudenmäßig perfekt betrieben von Monika und Stefan Schleinitz. Erwartet werden wieder deutlich über 500.000 Besucher und die Strahlkraft des Lullusfestes ragt weit über die Stadtgrenzen Bad Hersfelds hinaus, bis weit nach Hessen und Thüringen hinein.
Großes Angebot auf engstem Raum
Der Vergnügungspark entsteht auf dem Marktplatz – und jeder Quadratzentimeter wird dabei genutzt. Hier stellen sich die Organisatoren unter der Projektleitung von Julia Scholz und der technischen Leitung von Helge Assi – die beide seit 10 Jahren Verantwortung tragen – alljährlich der großen Herausforderung, „das beste Lollsfest aller Zeiten“ zu veranstalten. Hier findet man auf engstem Raum die spektakulärsten Attraktionen der Schaustellerbranche, die aus mehreren Hundert Bewerbern ausgewählt wurden. Die Nachfrage der Schausteller übersteigt den zur Verfügung stehenden Platz um ein Vielfaches. Neben rasanten Hightech-Anlagen liegt ein Schwerpunkt auf familienfreundlichen Attraktionen, die generationsübergreifend – von den Enkeln bis zu den Großeltern – ein gemeinsames Erlebnis möglich machen.
Außerdem bemerkenswert …
Das große Rahmenprogramm bietet in der Woche jeden Tag Höhepunkte mit Festumzug, Lullus-Krammarkt, Kinderprogramm, das Lolls-Festival mit einer bekannten Band, Kasperltheater, Feuerwerk und zum Finale die große Freiverlosung – bei der es in diesem Jahr wieder ein Auto zu gewinnen gibt. Der Lollstaler hat mit der VR-Bank Bad Hersfeld/Rotenburg eG einen neuen und starken Partner gefunden. Dank an den Imageträger, Feuermeister Klaus Otto, für sein bewundernswertes Engagement. Und, nicht zu vergessen und unverzichtbar, an das Lolls-Urgestein Reinhard Rauche im energiegeladenen 80. Lebensjahr sowie an das Team im Lullusfest-Verein unter dem Vorsitzenden Stefan Kopetschek. Ohne diese helfenden Hände gäbe es nicht diesen Erfolg.
Es kann losgehen
Unter dem stimmungsvollen Schlachtruf „Enner, zwoon, dräi – Bruder Lolls“ wird am „Lollsmontag“ pünktlich mit dem Glockenschlag um 12 Uhr das Lullusfeuer angezündet. Das feierliche Entzünden eines Holzstoßes auf dem Marktplatz geht auf einen mittelalterlichen Brauch zurück. Das „Fierche“ war Symbol für die Lullusfreiheit, die Befreiung von den städtischen Abgaben für die Festdauer. Daneben ist das Lullusfeuer auch von praktischem Nutzen. Wenn es kühl ist, kann man sich bei einem Festplatzbummel hervorragend aufwärmen. Die Kinder werfen, dies ist ein alter Brauch, Kastanien in das Feuer und freuen sich, wenn sie in der Glut zerplatzen.
Text: Helmut Bresler
Fotos: Helmut Bresler / Stadt Bad Hersfeld
Rückblende: Lolls vor 30 Jahren
Wilfried Roßbach, heute noch als „Mr. Lolls“ tituliert, trug damals die Verantwortung und erinnert sich zurück an ein ganz besonderes Jahr: „Das Lullusfest 1993 stand noch ganz im Zeichen der Wiedervereinigungs-Euphorie. Die Einheit hatte die Stadt aus dem Zonenrandgebiet in die Mitte Deutschlands katapultiert. Viele Gäste aus dem benachbarten Thüringen lösten einen gewaltigen Besucherboom aus. Es galt die Devise: „Höher, größer, schneller!“
Das Highlight unter den Fahrgeschäften war der gigantische „Imperator“ der renommierten Münchner Schaustellerfamilie Aigner. Keine andere Lolls-Attraktion benötigte bis heute einen 500-Tonnen-Kran zum Auf- und Abbau. Welch ein logistischer Aufwand! Auch die zweite Neuheit „Mega-Dancer“ von Dreher-Zarnitz war ein beliebter Anziehungspunkt. Blumes „Wellenflieger“, der Scheibenwischer „Big Wave“ von Sonnier und Bruchs wunderschöne „Schlittenfahrt“ setzten im Karussellbereich Akzente. Auch die Lauf- und Schaugeschäftssparte wartete mit grandioser Besetzung auf: Mit Sindermanns Boxbude „The Ring“ und Kutschenbauers „Magic-House“ gastierten zwei Besuchermagnete. Es war übrigens das bis heute einzige Gastspiel mit Schau-Boxen auf Deutschlands ältestem Volksfest. Ein Wahrsager blickte erstmals für die Festbesucher in die Glaskugel. Während zuletzt 52 Beschicker ihre Betriebe zu Lolls aufbauten, waren es damals zehn weniger. Übrigens fuhr der „Imperator“ 1993 von Bad Hersfeld nach Soest zur Allerheiligenkirmes weiter.
Neu waren Radiospots für Lolls. Danach gehörte Hörfunkwerbung bis vor wenigen Jahren als fixer Bestandteil zum Kirmesmarketing. Eine erste Umfrage spiegelte die Besucherwünsche wider. Nach 48 Jahren gaben letztmalig US-Soldaten ihre Dollars für das Karussellfahren aus. Danach war die US-Garnison Geschichte. Trotz mitunter feuchtem Wetter waren alle Beteiligten sehr zufrieden.“
Text: Wilfried Roßbach
Fotos: Wilfried Roßbach, Richard Krolzig und Helmut Bresler