Pützchen: Gut, aber kein Rekord
Friedliche Fünf-Tage-Kirmes in Bonn
vom 6. bis 10. September
Einmal im Jahr ist Pützchens Markt und darauf wartete wieder die gesamte Bonner Umgebung. Rein kalendarisch Anfang September angesiedelt, hatte das Volksfest alles zu bieten. Nach dem Hochsommer in den ersten Tagen wollte der Herbst ab Montag zeigen, was er konnte. Regenschauer am Montag bremsten das Publikum aus, obwohl der Bonner Schaustellervorsitzende Peter Barth bemerkte, dass auf anderen Plätzen kaum Leute gekommen wären und lobt damit das hiesige Kirmesvolk. Oberbürgermeisterin Katja Dörner hielt dazu fest, dass Pützchens Markt auch in diesem Jahr wieder das fröhliche und friedliche Fest war, das es sein sollte. Sie dankte besonders den Sicherheitskräften von Polizei und kommunalem Ordnungsdienst, die mit ihrer starken Präsenz und umsichtigen Kontrollen dafür sorgten, dass die Menschen mit einem guten Gefühl die Traditionskirmes besuchten. „Mit ihrem Besuch haben sie ein deutliches Zeichen dafür gesetzt, dass wir uns unsere Art zu leben und die Freude an unserem Brauchtum von niemandem nehmen lassen.“ Der Anschlag von Solingen Ende August war nach wie vor präsent und wirkte sich auch auf Pützchens Markt aus, zumal wenige Tage vor der Kirmes eine Messerattacke in Bonn Schlagzeilen machte. Die Besucher waren verunsichert und Pützchens Markt war damit im Bundesgebiet kein Einzelfall. Die Besucherrückgänge waren vor allem am Freitag und Samstag zu sehen. Ein Indiz dafür war auch, ob die Autobahnausfahrt Pützchen gesperrt werden musste. Dies war nur am Sonntag der Fall. Peter Barth bezeichnete in seinem Resümee den Sonntag als bärenstarken Tag und sprach von annähernd gleichen Umsätzen wie im Vorjahr.
Spannender Aufbau
Für Marktleiterin Katrin Krumbach, in ihrem dritten Zuständigkeitsjahr für die Kirmes, sollte es besonders spannend werden. Die Flyer waren schon gedruckt, da kamen auch schon die ersten Veränderungen. Vier Achterbahnen waren geplant, doch nun kam die Absage von Vorlops „Rock & Roller“. Immerhin sollte die Bahn wieder vor dem ehemaligen Sportplatz bauen. Stefan Esch übernahm die Platzgestaltung von Michael Mierzowski und musste einige Geschäfte nun umstellen, was sich aber durchaus optisch als Vorteil herausstellte. Kommt die große Bahn „Höllenblitz“ oder kommt sie nicht? Viele Informationen auch in den sozialen Medien rankten sich um dieses Thema und Katrin Krumbach fuhr extra noch einmal nach Crange, um mit Inhaber Ottens zu sprechen.
Alles waren nur Gerüchte und Pützchens Markt durfte nach Jahren Abstinenz wieder eine Megaachterbahn erleben, die auch nach Beobachtungen bei einem wirklich akzeptablen Fahrpreis sehr gut angenommen wurde, wie auch der Schaustellervorsitzende Peter Barth dazu bemerkte. Auch die anderen Newcomer kamen gut an. Die Raftingbahn „Rio Rapidos“ von Lous Oberschelp durfte sich über viele Fahrgäste an den ersten Sommertagen freuen. Mit dem Magic-Geschäftstyp mit Namen „Entertainer“ von Müller Volklandt war diese Karussellart nach vielen Jahren wieder einmal präsent und auch ein Wunschkarussell der Marktleiterin. Hansteins „Wellenflug“ rückte aus dem hinteren Bereich auf den Standplatz gegenüber Markmanns Kultpolyp „Octopussy“ und wirkte attraktiv. Hansteins „Commander“ pausierte wegen technischer Überarbeitung und mit Löffelhardts „Ghost Rider“ ergab sich auch hier ein anderes Bild. Durch die Umstellung des Höllenblitzes verschwand Reminders „Playball“ hinter der großen Achterbahnhütte und war kaum zu sehen. Eigentlich war hier ja die „Rock & Roller“-Achterbahn geplant, die deutlich durchsichtiger gewesen wäre. Am ehemaligen Wellenflugstandort war durch die Umstellungen eine Lücke entstanden, die nun Monika Behrhausen mit dem Weingarten „Schön bei Möhn“ belegen durfte. Livemusik wurde geboten und das Ganze kam gut beim Kirmesvolk an. Für Roland Barths Achterbahn „Feuer und Eis“ war es das Abschiedsgastspiel, denn die Bahn wurde an Ludwig Rieger in Österreich verkauft. Sieben Platzneuheiten hatte das Marktamt für Pützchens Markt verpflichten können. „Man muss auch mal was ausprobieren. Manches war gut und manches halt weniger“, teilte die Marktmeisterin in ihrem Resümee mit. Insgesamt lobten gerade auch die neuen Teilnehmer, wie zum Beispiel Familie Müller Volklandt, die gute Zusammenarbeit mit dem Marktamt.
Umzug und Eröffnung
Der Umzug des Freundeskreises Pützchen, der erstmals 2011 rollte, mobilisierte wieder viele Schaulustige vorab auf Pützchen. Auch wenn es schon einmal mehr Publikum gab, tat dies der guten Stimmung keinen Abbruch. Es war damals 2010, schon eine gute Idee, damit den Freitagsbesuch anzukurbeln! Circus- und Schaustellerpfarrer Sascha Ellinghaus erteilte zusammen mit dem Ortspfarrer den Segen. Die kirmesbegeisterte Oberbürgermeisterin brachte mit dem Fassanstich nach attraktivem Eröffnungsprogramm den Markt auch offiziell ins Rollen. Der „Komet“ berichtete bereits in Sonderartikeln.
Ausgeweitete Sicherheitsdienste und Lebensmittelkontrolle
Deutlich mehr Polizeipräsenz, Videoüberwachung, verstärkter Ordnungsdienst, ein NRW-Ministerpräsident und ein Innenminister, die den Jahrmarkt besuchten und Zeichen setzten, standen für ein größeres Sicherheitsgefühl, das der Öffentlichkeit vermittelt wurde. Die Polizei nutzte wie im Vorfeld angekündigt die durch das Polizeigesetz erweiterten Befugnisse zur Kontrolle. Danach durften die Beamten ohne Ankündigung Personalien kontrollieren. Am Samstagabend begleitete Innenminister Herbert Reul ohne vorherige Ankündigung nach den Ereignissen in NRW zwei Stunden Ordnungsamt und Polizei vor Ort und verschaffte sich einen Eindruck. „Die Menschen verlangen zu Recht, dass wir das Sicherheitsgefühl erhöhen“, so Reul. Wer über den Markt schlenderte, merkte sehr schnell, dass die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt waren. Auch private Sicherheitsdienste waren an den gelben Westen zu erkennen. Zahlreiche Personen- und Taschenkontrollen wurden vorgenommen. Zwölf Platzverweise wurden ausgesprochen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst besuchte ebenfalls die Kirmes. Aus Sicht des kommunalen Ordnungsdienstes war es ein ruhiges Volksfest, sogar mit weniger Einsätzen als in den Vorjahren. „So oft wie die Schausteller werden kaum die Betriebe in der Stadt kontrolliert“, meinte die Marktleiterin dazu. 121 Betriebe wurden auf dem Markt kontrolliert. 38 Betriebe wurden wegen kleinerer Mängel, etwa an baulichen Anlagen oder der Einrichtung, beanstandet. Insgesamt waren die Gewerbetreibenden gut über die gesetzlichen Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit informiert und haben diese umgesetzt. Alle Mängel konnten jedoch vor Ort abgestellt werden. Drei Betriebe mussten vorübergehend schließen, einer konnte erst am nächsten Tag wieder öffnen. In einem Fall wurde ein Bußgeld verhängt. Die Zulassung für Stände mit Messerverkauf wurde von der Stadt zurückgenommen.
Es muss aufgeräumt werden
Müllvermeidung ist auch hier ein Thema und mittelfristig stehen für die Verwaltung ähnliche umweltschonende Maßnahmen wie Mehrweggeschirr, wie sie in Düsseldorf praktiziert werden, im Focus. Die Mülltrennung stand bei dieser Ausgabe vermehrt im Vordergrund. Das Kreislaufabfallwirtschaftsgesetz verlangt nach neuen Wegen. Der städtische Abfalldienst hat vor Beginn der Großkirmes die Veranstaltungsfläche gereinigt, war in fünf Nächten ab 3.30 Uhr mit bis zu 32 Mitarbeitenden, mehreren Abfallsammelfahrzeugen und Fahrzeugen der Stadtreinigung, zwei Kehrmaschinen sowie einem Wasserwagen im Einsatz. Rund 60 Tonnen Abfall wurden eingesammelt – und das waren etwa drei Tonnen weniger als 2023.
Freundeskreisaktivitäten
2010 erfolgte erstmalig eine kleine Kirmesmodellbau-Ausstellung. Nur am Samstag und Sonntag stellten acht Hobby-Modellbauer ihre Ausstellungsstücke im nahe gelegenen Pfarrzentrum aus. Für den diesjährigen Jahrespin konnte der Freundeskreis Schausteller Fredi Rüwe mit seinem Entenangeln gewinnen, der im Rahmen des Kennenlernabends am Vorabend der Kirmes in Theo Hardts Café zur Burg vorgestellt wurde. Große Aufmerksamkeit fanden die Aktivitäten auch beim Fernsehen, denn der WDR berichtete in seiner Lokalzeit über den Freundeskreis. Die Backstagetour ist für den 450 Mitglieder starken Verein immer der Auftakt zur Kirmes.
Schlussbetrachtung
Marktleiterin Kathrin Krumbach zog zufrieden Bilanz: „Es waren wieder sehr schöne Kirmestage mit tollen Platzneuheiten und einem vielfältigen Angebot für Groß und Klein. Wir haben in Pützchen fünf Tage lang ausgelassen und friedlich gefeiert.“ Geschätzt kamen 2024 rund 900.000 Menschen zum Bonner Traditionsjahrmarkt. Peter Barth zog Bilanz und teilte mit, dass die Spendenbereitschaft für die Aktion „Pützchens Markt hilft“ unter den Kollegen durchaus erfreulich war. Er wertete dies als Indiz dafür, dass es nicht so schlecht gelaufen sei. „Wir hatten ein Fest mit respektvollerem Umgang. Team und Schausteller haben dafür gesorgt, dass dieses Fest in Beuel stattfinden konnte. Vielleicht geht ein Ruck durch die Gesellschaft, dass man mit mehr Rücksicht miteinander viel mehr erreichen kann“, stellte der Beueler Bezirksbürgermeister Guido Pfeiffer fest. Nun geht es an die Planungen für die Kirmes 2025, die vom 12. Bis 16. September terminiert ist.
Text und Fotos: Martin Wehmeyer