Poller vor den Buden, Sperren an den Zufahrten, Sicherheitskräfte zwischen Glühwein und gebrannten Mandeln: Seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg werden vielerorts die Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren. Was für Städte und Polizei ein notwendiger Sicherheitsgürtel ist, bedeutet für Schausteller und Marktkaufleute mehr Aufwand, mehr Kosten und oft weniger Spontanität auf den Plätzen. Der KOMET hat sich umgesehen, wo Sicherheitskonzepte sinnvoll schützen – und wo sie zur Zumutung für die Branche werden.
Augsburg: Durchfahrtsverbot und mobile Poller am Rathausplatz
Ein Beispiel für den Umgang mit dieser Bedrohungslage liefert der Christkindlesmarkt in Augsburg. Dort setzt die Stadt nach Angaben der Augsburger Allgemeinen in diesem Jahr auf ein neues Verkehrs- und Schutzkonzept am Rathausplatz. Auf dem Straßenabschnitt vor dem Rathaus gilt während der Marktzeiten ein Durchfahrtsverbot; lediglich Straßenbahnen und Rettungsfahrzeuge dürfen passieren. Für Lieferverkehr und Anlieger sind eng begrenzte Zeitfenster am Vormittag und in der Nacht vorgesehen.
Als physische Absicherung dienen sogenannte Pitagone – flexible Zufahrtssperren, die bei Bedarf verschoben werden können. Ein Video der Augsburger Allgemeinen auf TikToc („Poller, die Waldfee“) zeigt, wie zusätzlich Poller zum Einsatz kommen, die von Sicherheitskräften mit Hubwagen manuell bewegt werden. Wenn Straßenbahnen der Linien 1 und 2 den Rathausplatz queren, wird die Sperre kurzzeitig geöffnet, die Poller werden aus dem Gleisbereich gefahren und anschließend wieder in Position gebracht. Während die Aktion in den sozialen Medien für Spott und Hohn sorgt, verweist die Stadt darauf, dass sich mit diesem System starre Betonblöcke vermeiden lassen. Ergänzt wird das Konzept durch eine temporäre Videoüberwachung durch die Polizei.
Unna: Geschmückte Poller und eine Online-Debatte
Im nordrhein-westfälischen Unna sorgt unterdessen eine andere Sicherheitslösung für Diskussionen. Dort wurden vor dem Weihnachtsmarkt sogenannte Oktabloks, also massive Sicherheitspoller, aufgestellt und weihnachtlich dekoriert. Ein Bericht des Portals merkur.de schildert, wie ein entsprechender Beitrag in sozialen Netzwerken mit der Formulierung „Terrorpoller – Oktabloks“ eine kontroverse Debatte ausgelöst hat.
Die Reaktionen reichen von Verständnis für die Maßnahmen („gut, dass man sensibler geworden ist“) bis hin zu scharfer Kritik an der sichtbaren Präsenz von Sicherheitsvorkehrungen („traurig, was aus unserer Welt geworden ist“). Einige Nutzer stören sich laut merkur.de bereits an der Bezeichnung „Terrorpoller“, weil sie suggeriere, überall dort müsse zwangsläufig Terrorgefahr bestehen.
Sicherheitslage: Keine konkrete Gefahr, aber erhöhte Sensibilität
Nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) liegen derzeit keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung einzelner Weihnachtsmärkte vor. Die Märkte stehen wegen ihrer zentralen Lage, offenen Zugänge und hohen Besucherzahlen dennoch im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden. Bundesweit wird deshalb darüber diskutiert, ob gemeinsame Standards für Maßnahmen wie Zufahrtssperren, Videoüberwachung, Waffenverbotszonen und den Einsatz privater Sicherheitsdienste nötig sind. Ein einheitliches Konzept für alle Kommunen gibt es bislang nicht; die konkrete Ausgestaltung bleibt Aufgabe von Städten und Ländern.
Positionen von DSB und BSM
Der Deutsche Schaustellerbund (DSB) betont, dass die Sicherheitskonzepte der rund 3250 Weihnachtsmärkte in Deutschland in enger Abstimmung mit Behörden laufend nachgeschärft werden. Eine flächendeckende Gefährdung der Weihnachtsmarktkultur durch Sicherheitskosten sieht der Verband derzeit nicht. Zugleich verweist der DSB darauf, dass Terrorabwehr eine hoheitliche Aufgabe von Staat und Polizei ist und die zusätzlichen Kosten für Poller, Sperren und Sicherheitsdienste nicht einseitig den Schaustellern aufgebürdet werden dürften.
Rechtsgutachten im Auftrag des DSB kommen zu dem Ergebnis, dass zusätzliche Anti-Terror-Maßnahmen nicht ohne Weiteres auf Beschicker umgelegt werden dürfen, weil die Gefahrenlage von außen kommt und Schausteller nach Polizeirecht nicht als Verursacher („Störer“) gelten. Die innere Sicherheit wird klar als staatliche Aufgabe eingeordnet.
Der Bundesverband Schausteller und Marktkaufleute (BSM) warnt grundsätzlich vor immer neuen Auflagen, Bürokratie und Kosten, die kleine und mittlere Betriebe überfordern können. Aus der Praxis berichten Beschicker und Kommunen inzwischen von Sicherheitsauflagen, deren Kosten in Einzelfällen die gesamten Einnahmen kleiner Märkte übersteigen – mit der Folge, dass einzelne Veranstaltungen abgesagt werden.
Kostenfrage und öffentliche Wahrnehmung
Neben der praktischen Umsetzung rückt zunehmend die Finanzierung in den Mittelpunkt. Wie verschiedene Kommunen berichten, gehen die Kosten für mobile Barrieren, zusätzliches Sicherheitspersonal und technische Ausstattung in mehreren Städten in die Millionen. In anderen Fällen, etwa bei angemieteten Schutzelementen, summieren sich die Ausgaben zu sechsstelligen Beträgen pro Markt. Veranstalter – meist Städte, Gemeinden oder deren Marketinggesellschaften – versuchen, einen Teil dieser Kosten über Gebühren und höhere Aufwendungen pro Besucherin und Besucher zu kompensieren.
Parallel dazu wird politisch und fachlich diskutiert, ob die Terrorabwehr bei Großveranstaltungen langfristig stärker als originäre staatliche Aufgabe verstanden und finanziert werden sollte. Eine abschließende Lösung dieser Frage steht noch aus.
Zwischen dem Wunsch nach einem unbeschwerten Bummel über den Weihnachtsmarkt und dem Bedürfnis nach sicht- und spürbarer Sicherheit bewegen sich Städte, Veranstalter und Besucher damit auf einem schmalen Grat. Die Bilder von Pollern, Sperren und Sicherheitskräften werden in diesem Advent bleiben – ebenso wie die Debatte darüber, wie viel „Poller-Wahnsinn“ nötig ist und wer am Ende dafür bezahlt.
Kommentar: Zwischen Sicherheitsgefühl und Zumutbarkeit
Für Schausteller und Marktkaufleute sind Poller, Sperren und zusätzliche Kontrollen längst mehr als nur ein Symbol der Zeit. Sie bedeuten ganz konkret: erschwerte Anlieferung, mehr Aufwand, zusätzliche Kosten – und oft auch Verunsicherung bei den Gästen, die sich fragen, ob es ohne all diese Maßnahmen überhaupt noch sicher wäre.
Aus Sicht des KOMET ist klar: Sicherheit hat Vorrang – niemand stellt ernsthaft infrage, dass Städte und Veranstalter ihre Märkte bestmöglich schützen müssen. Ebenso klar ist aber auch: Einen hundertprozentigen Schutz kann es nicht geben. Die Last der Sicherheitskonzepte darf weder die Magie der vorweihnachtlichen Stimmung erdrücken noch einseitig bei denen landen, die mit ihren Geschäften und Fahrgeschäften die Märkte überhaupt erst attraktiv machen.
Wünschenswert wäre ein fairer Dreiklang:
- transparente Konzepte, die frühzeitig mit Beschickern und Gewerbe besprochen werden,
- praktikable Lösungen, die den Betrieb nicht unnötig behindern,
- und eine angemessene finanzielle Beteiligung von Staat und Kommunen, wenn Sicherheitsmaßnahmen in die Kategorie öffentliche Daseinsvorsorge fallen.
Unsere Branche braucht Weihnachtsmärkte, die sicher sind – aber eben auch lebens- und arbeitsfähig bleiben. Nur wenn beides zusammen gedacht wird, haben alle etwas davon: Besucher, Städte und allen voran diejenigen, die Tag für Tag auf den Plätzen stehen und das wirtschaftliche Risiko tragen. Mehr zum Thema finden Sie auch im aktuellen Komet 5878.
Quellen (Auswahl):
- Augsburger Allgemeine, 26.11.2025 (Bericht zum Durchfahrtsverbot und zu den Sicherheitsmaßnahmen am Rathausplatz in Augsburg)
- merkur.de, 27.11.2025 (Bericht zur Debatte um dekorierte Sicherheitspoller in Unna)
- Presse- und Agenturberichte zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg 2024
- Öffentliche Aussagen und Lageeinschätzungen des Bundeskriminalamts (BKA)
- Veröffentlichungen und Stellungnahmen des Deutschen Schaustellerbundes (DSB)
- Stellungnahmen und Informationen des Bundesverbands Schausteller und Marktkaufleute (BSM)
- Diskussionen in sozialen Netzwerken (u. a. Facebook-Beiträge zu Sicherheitsmaßnahmen an Weihnachtsmärkten)